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Starker Kerl

21:26 Uhr – Puh, ist jetzt doch wieder ein bisschen ungemütlich geworden draußen. Da brauche ich nach meinem abendlichen Spaziergang nicht nur eine heiße Dusche, sondern jetzt direkt im Anschluss auch noch einen Seelenwärmer, eine starke Schulter, einen schweigsamen Fels in der Brandung, so einen richtig straffen Hendrik zum Beispiel. Ein Glück, dass ich seit Jahren dieses Fläschchen Straffe Hendrik aufgehoben habe, ein Quadrupel Bier der Brüsseler Brauerei De Halve Maan. Das heißt, so vermute ich, nicht „der halbe Mann“, sondern „der halbe Mond“, denn auf dem Etikett und auch auf dem Kronkorken ist ein Halbmond mit sehr deutlichem Gesicht zu sehen. Ernste Augen, große Nase, leicht nach unten gezogene Mundwinkel und ein spitzer Ziegenbart am Kinn. Fröhlich ist der Mann im Mond hier nicht, das verstärkt aber nur den seriösen, edlen Eindruck des dunkelbraunen Etiketts mit weißer und goldener Schrift.

Die Geschichte des Bieres geht auf 1981 zurück, als es erstmals zu Ehren der Enthüllung eines Monuments in Brüssel gebraut wird. Der Name verweist auf die vielen Hendriks, Hendriks und Henris in der Brauerfamilie Maes. Der erste Erbrauer war übrigens Henri Maes IV. Womit mit dem Quadrupel wieder ein Schuh draus wird. Ein Quadrupel ist ein belgisches Bier, ein besonders starkes belgisches Bier mit 10 Prozent Alkohol und mehr – und damit der große Bruder des Double und des Tripel. Zum Einbrauen so starker Biere braucht man nicht nur viel Malz, sondern auch eine Hefe, die aus so viel Zucker auch Alkohol macht und nicht irgendwo auf dem Weg aufgibt.

Der Straffe Hendrik ist sehr schwarz und lichtundurchlässig, wirkt optisch sogar leicht ölig. Bedeckt ist er von einer cremefarbenen, feinen, dichten und erstaunlich beständigen Schaumschicht. Für ein so dunkles Bier ist die feine Kohlensäure auffällig. Der Geruch ist von milden Röstaromen und einer feinen Rauchigkeit geprägt. Auch Kräuter und Gewürzen zeigen sich, so auch die leichte Seifigkeit von Koriander. Dazu gesellt sich der Duft von altem, trockenem Holz. Leicht angegorene Trauben runden das Geruchserlebnis ab.

Wow. Der erste Schluck ist beeindruckend. Die Aromen schießen so intensiv in schnellem Wechsel und in feiner Balance durch den Mund, dass es schwer ist, sie zu greifen. Da sind natürlich diese Spuren der Röstaromen, aber vor allem auch eine dezent säuerliche Herbe, die sich breit macht. Auch dieser holzige Geschmack ist wieder da, als ob das Bier aus einem alten Eichenfass kommt (kommt es nicht, soweit ich weiß). Den hohen Alkoholgehalt von 11 Prozent schmeckt man nicht wirklich, allerdings legt sich im Nachgang eine leichte Taubheit über die Zunge und im Bauch wird es angenehm warm. Der seifige Koriander tauch wieder auf, aber nicht unangenehm, auch die Trauben sind wieder in Form von Rosinen da, vielleicht sind es auch reife Pflaumen. Wirklich erstaunlich ist, dass das Bier trotz seiner Röstaromen, seiner Stärke, seiner Würze und seiner Vollmundigkeit irgendwie leicht wirkt. Dass man es trotzdem nur in kleinen Schlücken und langsam trinkt, dafür sorgt die Trockenheit, die es im Mundraum hinterlässt.

Je wärmer das Starkbier wird, desto milder wird es, und desto mehr erinnert es mich an dunkle Nussschokolade. Das bringt mich auf die Idee, die Toblerone zu öffnen, die ich eigentlich nicht für heute Abend vorgesehen hatte, und mich an einem Bier-Schoko-Pairing zu versuchen. Ich kenn mich da nicht so aus, mache es aber, wie ich es mit Käse gelernt habe: Schokolade kauen, einspeicheln, Bier drauf. Ist gar nicht übel. Die Süße der Toblerone lockt noch mehr die süßen Frucharomen aus dem Bier raus und nimmt die Herbe im Abgang. Das ist wirklich spannend, auch wenn ich glaube, dass eine andere Schokolade noch besser passen würde.

Enorm tolles Genuss-Bier für den Abend, oder sicherlich auch ein geeignetes Dessert-Bier. Ich bin ein bisschen in den Straffen Hendrik verliebt jetzt.

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