20:00 Uhr – Brauereien, die ihr Märzen als saisonale Bierspezialität nur eine bestimmte Zeit lang verkaufen, tun dies in der Regel im Frühjahr. Das scheint ja mit Blick auf den Namen des Bieres auch erstmal Sinn zu machen. Historisch gesehen ist das allerdings nicht ganz richtig. Richtig ist, dass dieses Bier im März (oder April) gebraut wurde, getrunken wurde es aber erst viel später. Das hängt damit zusammen, dass vor der Erfindung der Kühlmaschine im Jahr 1876 untergäriges Bier nur in der kalten Jahreszeit gebraut werden konnte, da es in der warmen Jahreshälfte zu hohe Temperaturen für eine geregelte, kühle Gärung gehabt hätte. Traditionell dauerte die Saison vom Michaelstag (29. September) bis zum Georgstag (23. April). Zwischen Ende April und Ende September konnte entsprechend kein untergäriges Bier gebraut werden.
Trinken wollten es die Leute aber trotzdem. Deshalb wurde gegen Ende des Braujahres, also ab März, ein etwas stärkeres, alkoholreicheres und stärker gehopftes untergäriges Bier eingebraut – und dadurch haltbarer gemacht: Das Märzenbier. Es kam im Lagerkeller ganz nach hinten, denn zuerst trank man natürlich die helleren, leichteren Vorräte weg, die nicht so lange haltbar waren. Gegen Spätsommer ging es dann an die eisernen Märzen-Vorräte. War der Keller im September noch zu voll, musste Platz für die Erzeugnisse der neuen Brau-Saison gemacht werden. Dies erklärt (auch) die Ballung von Bierfesten im Spätsommer.
Und außerdem erklärt es, warum es das Märzen bei mir heute gibt, und nicht schon im Frühjahr. Denn tatsächlich ist das Märzen der Berg Brauerei Ehingen, das ich heute verköstige, laut Etikett schon am 27. Mai abgelaufen. Ich habe es über den Sommer dunkel und im Kühlschrank gelagert, also beste Bedingungen. Auch diese Sorte trägt das für die Brauerei typische Etikett, in diesem Fall mit grünen Akzenten.
Mit seiner hellgoldenen Farbe ist das Berg Märzen ein eher heller Vertreter seiner Spezies. Langsam gleiten die vereinzelten Kohlensäurebläschen durch das glanzklare Bier nach oben, um im hellweißen, fluffigen und stabilen Schaum aufzugehen. Geruch ist nur äußerst schwach wahrzunehmen, vielleicht eine leichte Würze gepaart mit schwereren Malzaromen.
Die starke Ausprägung in Richtung Malz bestätigt auch der Antrunk: Süßliche Töne von heller Gerste, etwas Mandel und eine Messerspitze Honig. Der volle, weiche Körper lässt mit einer minimalen Alkoholnote die 6,1 Prozent erahnen. Eine schöne Hopfenwürze lässt das Malz zwar gewähren, aber nicht übertreiben. Die Würze selbst geht weniger in die herbe Richtung, vielmehr wird es blumig oder geht gar hin zu mediterranen Kräutern wie Basilikum.
Im Finale kommt keine weitere Herbe dazu. Butterweich und mit einem Hauch von fruchtiger Säure rutscht das Märzen hinab. Im Nachgeschmack ist wieder das helle Gerstenmalz da, das trocken Gaumen und Zunge belegt und herrlich das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Dieses Märzen – wohlgemerkt spreche ich von der rund sechs Monate gereiften Version – läuft wie ein gutes Helles. Bei dem Alkoholgehalt etwas gefährlich, aber absolut herrlich.